Handgeschriebene Briefe und Korrespondenzen waren schon seit jeher die ursprünglichste und lebendigste Form der alten deutschen Schriften. In ihnen bildet sich zum einen die Schriftart der jeweiligen Epoche ab wie die Deutsche Kurrentschrift, die Deutsche Kanzleischrift oder die Sütterlinschrift. Zum anderen zeigen sie die persönliche Handschrift des Schreibers, aus der sich interessante Rückschlüsse auf seine Schreibfertigkeit und seine gesellschaftliche Stellung ableiten lassen.
Geübte Schreiber pflegten in privaten Korrespondenzen eine ausgeschriebene Handschrift mit Charakter, die dem geübten Leser vertraut war. In amtlichen Korrespondenzen wurde je nach Stellung und Anlass formell und akkurat geschrieben. Für die Anrede, die Begrüßung und die Abschlussformel galten strenge Regeln. Die Etikette schrieb genau vor, welche Titel und Floskeln anzuwenden waren. So erschließt sich der Inhalt so manchen alten Briefes erst nach mehrmaligem Lesen.
Brief von Friedrich Franz I. (1790)
In dem folgenden Brief von Friedrich Franz I., Herzog von Mecklenburg, an den Pastor Wiggers der Biestower Kirche finden wir die typischen Elemente der hohen adligen Schreibkunst und zudem auch die Schönheit der alten deutschen Schreibschrift. Der Brief vom 23. August 1790 verweist auf die im Erbvertrag mit der Stadt Rostock geregelte Versorgung des Schulmeisters Burde zu Kritzmow.
Friederich Franz von Gottes Gnaden
Herzog zu Mecklenburg
Würdiger und Wohlgelehrter, lieber Andächtiger
und Getreuer! Wir laßen Euch, auf eure unter-
thänigste Vorstellung, die Verlegenheit des
Schulmeisters Burde zu Critzmow, durch Le-
gung seines Handwercks betreffend, hiemit
Gnädigst unverhalten seyn; Das Wir Uns
außer Stande befinden, Ausnahmen von
der Unsrer Stadt Rostock in dem ältere
und neueren Erbvertrage, gegebenen Zusicherung
zu machen; indeßen auf baldigste Erfüllung
der, von Unsers in Gott ruhenden Herrn Ondes,
Herzogs Friederich zu Mecklenburg Gnade; un-
term 20 Mart: 1784 dem Schulmeister Burde gege-
benen Versicherung, zur anderweitigen Versorgung
Bedacht nehmen werden. Wornach Ihr Euch zu richten.
Datum auf Unsrer Vestung Suerin den 23 Aug.
1790 FF??m
Brief von Dr. Studemund aus Ludwigslust (1811)
Nicht alle Briefe wurden mit so viel Sorgfalt und so geübter Handschrift verfasst. In nächsten Brief schreibt Dr. Studemund aus Ludwigslust an den Pastor der Biestower Kirche über Tilgung und Einschreibung von Kirchenamtsanwärtern – damals sogenannte Exspektanzen – in eine Matrikel und die Bezahlung ausstehender Schulden aus einem Bücherkauf.
Hochwürdiger Hochgelehrter Herr Pastor
Höchstgeschätzter Herr Amtsbruder !
Ew. H. (Euer Hochwürden) entschuldigen gütigst, daß ich Dero geehrte Zu-
schrift vom 12ten Januar a. c. (anni currentis) des lfd. Jahres erst itzt beantworte.
Ich würde diese Pflicht gewiß früher erfüllet haben, wenn
ich diesen Winter über nicht von einer mir sehr beschwer-
lichen Augenschwäche, die mir des Abends, bey Lichte, alles
Schreiben untersagte, laboriret hätte.
In Gemäßheit ihrer vorgemeldeten gen. (geneigten) Zuschrift habe
ich den Namen, des im Jahre 1808 im M.[onat] Marz
eingezeichneten Exspektanten Gottlieb Peter Friede-
rich Hävernick aus der Matrikel getilget.
Johann Friedrich Hoft aus Critzmow ist im
Jahre 1809 den 28ten December als Exspektant
der Seminarien Matrikel einverleibet worden.
Ihrem Verlangen gemäß verfehle ich nicht den dies
beweisenden Schein Ew. H. hiedurch ergebenst zu
übersenden. By dieser Gelegenheit wage ich es
Ew. H. um eine Gefälligkeit zu ersuchen, deren geneigte
Erfüllung ich mir von ihrer freundschaftlichen Gesinnung
gemäß verspreche.
Ich bin ihrem H.[errn] Sohn, dem H.[errn] P.W. in Rostock für
sechs Exemplare von dem von ihm herausgegebenen Le-
ben des Sokrates, das Subscriptionsgeld noch zu bezah-
len schuldig. Ich hätte dies längst entrichten sollen und
es ist mir fast unbegreiflich, wie mir dies ganz und gar
nicht eingefallen ist. Leyder! ist es wohl eine Folge
meines durchs Alter geschwächten Gedächtnisses. Ew.
H. haben die Güte ihrem H.[errn] Sohn dies Geld nebst
meiner besten Empfehlung nächstens zu übermitteln
und mich by demselben wegen meiner begangenen
Vernachlässigung bestens zu entschuldigen.
Vorgemeldete 6 Exemplare kosten in Summa
(das Ex. zu 36 s.[ilbergroschen]) vier Rtlr [Reichstaler] 24 s.[ilbergroschen]. Diesem G.[eld] habe
ich noch 8 s.[ilbergroschen] für Porto beygefüget.
Ew. H. empfehle ich mich zum freundschaftlichen
Wohlwollen und beharre mit vollk.[ommener] Hochachtung
Ew. Hochwürden
Llust [Ludwigslust]
Marz 6.
treuergebenster Dr.
Studemund
1811 Die Einlage ersuche ich gelegentlich
gütigst zu besorgen.